Im Coaching und in der Konfliktklärung ist Konstruktivismus nicht nur förderlich – es ist ein „must have“. Was heißt es eigentlich genau und warum ist es so wichtig für die Entwicklung von Menschen?
Einmal begriffen, dass wir uns alle unsere Wirklichkeit selbst konstruieren und es somit kein objektives Richtig oder Falsch gibt, macht das Leben so viel leichter! Was ist – ist. Deine Bewertung dessen ist entscheidend. Und die entscheidest Du.
Konstruktivismus heißt, wir konstruieren uns unsere Wirklichkeit. Und zwar auf Basis dessen, was wir bisher im Leben gelernt haben. Schon Paul Watzlawick sagte: man kann nicht nicht kommunizieren. Wir kommunizieren immer. Auch ohne Worte. Durch Gestik, Mimik, Körpersprache. All das ist schon so aussagekräftig, dass wir genau genommen gar nicht mehr sprechen müssten.
Kommt dann die Sprache hinzu, ist es eine kaum lösbare Aufgabe, die Botschaft des Senders so beim Empfänger zu platzieren, dass auch genau die Botschaft dort ankommt, die gesendet wurde. Wie beim „Stille-Post-Prinzip“. Genau genommen, müssten wir ständig fragen: was hast Du verstanden?
Abgesehen davon, dass wir Botschaften auf verschiedenen Ebenen empfangen (Friedemann Schulz von Thun: das 4-Ohren-Modell), entstehen während unserer Kommunikation mit anderen Personen sofort Bilder im Kopf.
Wenn wir z.B. davon sprechen, die Büros attraktiver zu gestalten oder einen ergonomischen Stuhl zu beschaffen, so haben wir unterschiedliche Vorstellungen davon, wie dies aussieht. Auch davon, wie in bestimmten Situationen verfahren werden muss, haben wir eine völlig eindeutige Auffassung. Eine kleine Übung verdeutlicht es. Bitte ich meine Seminarteilnehmer, einen Turm zu malen, erhalte ich Bilder von lauter verschiedenen Türmen. Das verrückte ist: ALLE haben RECHT! Denn alles sind Türme. Es gibt kein Falsch oder Richtig. Wie die einzelnen Bilder jeweils aussehen, hängt von den Vorerfahrungen ab, die wir im Leben gemacht haben. Weil unsere Denk-Autobahnen so angelegt sind. Auch darüber, wie die richtige Vorgehensweise ist.
Wir lernen vom ersten Moment unseres Lebens an. Da wir zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrungen haben, probieren wir aus. Lernen funktioniert sehr schnell. Einmal auf die Herdplatte gefasst – das passiert nicht wieder. Wir Menschen sind Schnäppchenjäger. Das, was gestern gut funktioniert hat, machen wir heute wieder. Und siehe da! Funktioniert. Denk-Autobahn angelegt. Schwierig wird es bei der Tatsache, dass wir alle so unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben und daher auch unterschiedliche Bilder im Kopf haben.
Es kann also sehr gut passieren, dass wir mit anderen Menschen aus einem Fenster schauen und auf die gleiche Situation schauen und doch unterschiedliche Dinge wahrnehmen. Bäume, Vögel, Sonne, Autos… und wir verknüpfen unterschiedliche Gefühle damit. Je nach Vorerfahrung. Und wir alle haben Recht. Wahr ist, was wahrgenommen wird!
Der Konstruktivismus streitet nicht ab, dass es eine objektive Realität gibt, doch wir Menschen können sie nicht wahrnehmen. Wir konstruieren uns unsere Wirklichkeit.
Welch eine Erkenntnis! Wir bestehen aus lauter Vor-Annahmen über das Leben, weil wir denken, so ist die Realität. Und doch ist es nur unsere subjektive Wahrnehmung. Die Bewusstheit über unsere Denk-Autobahnen ist wichtig, wenn wir Dinge im Leben verändern möchten. Nur der, der weiß, wo er steht, kann die Richtung ändern, um dort anzukommen, wo er hinmöchte.
Haben wir einen Konflikt mit jemandem, können wir uns mit diesem Wissen über Konstruktivismus ab heute fragen: „was ist die positive Absicht des anderen hinter seinem Verhalten“? Denn eins ist sicher, er will uns nicht schaden, er hat nur andere Bilder im Kopf…
Wer mehr möchte, hier 2 coole Video-Minuten: Was ist Konstruktivismus? – YouTube